Lotte Eckener
LOTTE ECKENER – TOCHTER, FOTOGRAFIN UND VERLEGERIN
Die Herbstausstellung 2020, die das Hesse Museum Gaienhofen in
bewährter Kooperation mit der literarischen Gesellschaft „Forum
Allmende“ veranstaltet, ist der Fotografin und Verlegerin Lotte
Eckener (1906-1995) gewidmet. Sie wurde als Tochter des
Luftschiffpioniers Hugo Eckener in Friedrichshafen geboren.
Eckener, der Erbe Zeppelins, war zeitweise populärer als der
„verrückte“ Graf; in den 1930er-Jahren kannte ihn „jeder Neger
und jeder Eskimo“, wie der Mailänder „Corriere della Sera“
schrieb. Nach dem Krieg gehörte er zum Gründerkreis des
„Südkurier“.
Nach dem Paulinenstift, einer Bildungsstätte höherer Töchter in
Friedrichhafen, besuchte Lotte Eckener in München die Bayerische
Staatslehranstalt für Fotografie. Nach dem Studium orientierte
sie sich nach Berlin und arbeitete im Atelier von Alexander
Binder, der als Mode-Fotograf und Portrait-Adresse geschätzt
war. Lotte Eckener fotografierte Menschen, die zur Kunst-, Film-
und Literaturszene Berlins gehörten, darunter etwa Josef von
Sternberg und Carl Zuckmayer, der sie ermunterte, ihr erstes
Buch im Verlag Bruno Cassirer zu veröffentlichen. 1934 erschien
„Die Welt der Bäume. 31 Photographien nach den schönsten
deutschen Bäumen. Mit Gedichten von Walter Bauer“.
Noch vor dieser Veröffentlichung hatte sie Berlin den Rücken
gekehrt und New York für sich entdeckt. Hier entstanden
fotografische Kompositionen, aus denen eine zeittypische
Begeisterung für die „Neue Welt“ spricht; ihr Vater, der
„Magellan der Lüfte“, hatte hier seine größten Triumphe
gefeiert. Doch sind ihre Aufnahmen mehr als nur ein Liebesbeweis
– sie gelten als Dokumente und ästhetische Leitbilder des
technischen Zeitalters.
Nach dem New York-Abenteuer ging Lotte Eckener 1932 nach Rom,
studierte die Schönen Künste und untersuchte mit dem Kameraauge
antike Architektur. Im Jahr darauf begleitete sie ihren Vater
nach Java und Bali und erkundete mit ihm Kairo und seine
Umgebung.
Mit der Heirat 1935 wurde sie wieder am Bodensee – in Konstanz –
ansässig und nahm den Namen ihres Mannes Simon an. Bildnisse und
Skulpturen von Madonnen gehörten, seit sie wieder im Süden
lebte, zu ihren favorisierten Sujets. Das war nicht nur eine Art
Paradigmen-Wechsel – die Portraitfotografie rückte damit in den
Hintergrund –, sondern hatte auch einen kommerziellen Aspekt.
1949 gründete sie gemeinsam mit Marlis von Schoeller und Martha
Koch, der Frau des Dramaturgen am Konstanzer Theater, Walter
Koch, den Verlag „Simon & Koch“, in dem sie Bücher mit dem
Madonnen-Stoff aus der Region herausgab. „Simon & Koch“ war
möglicherweise der erste von Frauen gegründete Buchverlag in
Nachkriegsdeutschland. Nicht nur die hiesige Bevölkerung wurde
für den Verlag zur Zielgruppe, sondern vor allem der wachsende
Tourismus, der der Fotografie eine neue Chance bot.
Es ist die erste Ausstellung, die sich nicht nur der
Fotografin Lotte Eckener annähert, sondern erstmals den Verlag
„Simon & Koch“ in den Blickpunkt rückt. Eckener entwickelte am
See ein weites Netzwerk. Der Maler Otto Dix war ein Freund – er
porträtierte ihren Vater –, Hermann Hesse widmete ihr sogar ein
Gedicht. Die letzten Lebensjahre verbrachte Lotte Eckener im
Konstanzer Altenstift Rosenau.
Kuratiert wird die Ausstellung „Lotte Eckener – Tochter,
Fotografin und Verlegerin“ von Dorothea Cremer-Schacht und
Siegmund Kopitzki. Zur Ausstellung ist ein gleichnamiges, vom
Kuratoren-Paar herausgegebenes Buch erschienen. Neben den
Beiträgen von Cremer-Schacht /Kopitzki enthält das Buch auch
Essays von Manfred Bosch und Prof. Bernd Stiegler sowie ein
Interview mit dem Neffen von Lotte Eckener, Dr. Uwe Eckener.
Einen persönlichen Erinnerungstext hat Christiane Hermann
verfasst, Tochter der Verlegerin Martha Koch. Das bebilderte
Buch ist in der Kleinen Schriftenreihe der Stadt Konstanz
erschienen, hgg. von Prof. Jürgen Klöckler, es ist in jeder
Buchhandlung erhältlich (UVK-Verlag, München, 18 €).
Die wegen der Pandemie mehrfach verschobene Ausstellung, die in
den ersten drei Wochen nicht zugänglich war, da das Museum
geschlossen blieb, dauert noch bis Sonntag, 27. Juni. Am
Schlusstag findet um 11 Uhr eine Lesung mit Franz Hoben und
Siegmund Kopitzki unter dem Titel „Spazierfahrt in der Luft.
Literarische Zeppelinaden“ statt. Über die Öffnungszeiten der
Ausstellung informiert die Homepage des Museums unter:
www.hesse-museum-gaienhofen.de
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