Aus Bruno Epples Theaterstück „Ein Konstanzer Totentanz“
… und di
di hotr stande loo
bis etz
und due wie wenn er di
it kenne dät
nint wett vu dir
und hot doch au scho lang
e Aug uf die
bis dass er stoobliibt
d Hand dir giit und seet
ganz liisele:
kumm au mit
bisch draa.
–
Im Anschluss an die Beerdigung wurde im Grünen Baum in Moos folgende Videosequenz gezeigt.
Sie erinnert an die Verleihung der baden-württembergischen Heimatmedaille 2021 und lässt Bruno Epple den obigen Text vortragen.
Nachfolgend ist ein Mitschnitt zu sehen, der Bruno Epple am 30. August 2020 in der Singener Galerie Vayhinger zeigt. Dies ein Beleg für sein vielfältiges Engagement als Mitglied in der Meersburger Autorenrunde.
Was für ein Glück, dass es ihn gab
Der Malerdichter Bruno Epple ist im Alter von 92 Jahren in Allensbach gestorben
Von Siegmund Kopitzki
„Die Schriftsteller sehen in mir einen beachtlichen Maler, die Maler in mir einen beachtlichen Schriftsteller – sie finden das, was ich schreibe, ganz bildhaft, während die Schriftsteller das, was ich male, zum Bedichten finden“.
Das ist ein oft zitierter Satz von Bruno Epple, in dem der im Alter von 92 Jahren in Allensbach verstorbene Malerdichter seine Mehrfachbegabung beschrieb. Augenzwinkernd, über diese Gabe selbst verwundert, aber nicht ohne Stolz. Und auch Dankbarkeit himmelwärts darf daraus gelesen werden. Epple war ein frommer Mann. Dazu muss man wissen, dass der „zwischen dem Rosenegg und der Aach“ in Rielasingen geborene Sohn von Wirtsleuten die Stiftsschule des Benediktiner-Klosters Engelberg besucht hatte. Eine prägende Erfahrung.
Es gibt nicht viele Kreative von Epples Art. Noch in der Romantik hatte ein mehrfach Begabter die Vereinigung aller Künste im Sinn. Poesie und Musik, Malerei und Skulptur galten als unzertrennliche Bestandteile ganzheitlichen Seins. In unserer Zeit ist die Idee vom Gesamtkunstwerk abgelaufen. Der Maler Epple schuf auf seinen Bildern nicht nur das seltsame Puppenvolk der dickgliedrigen Straßenkehrer, Postboten, der Bauern auf dem Feld, der starr blickenden mondbusigen Marktfrauen, der Bootlefahrer oder Angler. In einer früheren Schaffensphase knetete, rollte, schnitt und formte er „wie ein Bäcker“ auch Tonfiguren nach biblischen Motiven. Er gab Engeln, Hirten, Jakob, Hiob, Noa, Maria und Josef und dem Jesuskind im Stall ein Gesicht. „Keramik ist etwas Schönes“, kommentierte er seine Botschaften der Bibel in einem fast schon kindhaften, aber dem Homo ludens doch angemessenen Ton.
Epple hat die Figuren der Kirche St. Pankratius in Wangen auf der Höri übereignet, wo er in seinem in den 1960ern erbauten Haus mit einem grandiosen Blick auf den Untersee lebte. Seit dem Tod seiner Frau Doris allein, aber nicht einsam, wie er seinen Besuchern versicherte. Dass der Lehm für die Tonfiguren aus Einsiedeln kam, mit seiner Abtei der größte Wallfahrtsort der Schweiz, gibt den Miniaturen einen zusätzlichen Heiligenschein.
Der Schriftsteller Epple schuf Lyrik und Prosa. Aber auch der heimliche Musiker in ihm schrieb Libretti und der Dramatiker ein Leichenlamento im alemannischen Dialekt („Konstanzer Totentanz“, 1981). Gevatter Tod war nicht der Lieblingsstoff Epples. Er wurde hingenommen, respektvoll, er kommt vor. Der Tod lässt sich nicht wirklich feiern, das diesseitige Leben dagegen schon. Epples literarisches Werk, seine Malerei und die Figurengruppen sind durch und durch daseinsbezogen. Und, wie es Manfred Bosch formuliert hat, „ein in die Kunst verschobener Dank ans Leben“. Wir dürfen daran teilhaben. Bosch war, wie der ebenfalls verstorbene Martin Walser, ein Weggefährte Epples.
„Ich will malen, zeichnen, schreiben und – dichten“, hatte schon der Schüler Bruno am 28. August 1947 in sein Tagebuch geschrieben. Er hatte begeistert Werke von Adalbert Stifter gelesen. Ein Jahr darauf, im Alter von 17 Jahren, schrieb er „Schicksal“, eine Tragödie in 5 Akten in Blankversen. Anspruchsvoll, der Anfang. Bald folgten mehrere Sonette, auch das Gedicht „Allerseelen“. Es erschien im „Schwarzwälder Boten“, Epples erste Veröffentlichung. Mit 24 Jahren malte der Lehramts-Student der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität auf einem Schuhkarton das erste Bild. „Das Stellwerk am Zeller-See“, so der Titel.
Und schon das Premierenbild wies Stilmerkmale der naiven Malerei auf und deutete die Laufrichtung an, die der künstlerische Autodidakt Epple nehmen sollte. Die Bilder dieses „Malers des heiligen Herzens“ – das unschuldige Wort von Wilhelm Uhde wird als Synonym für naive Kunst verwendet – erzählen in altmeisterlicher Manier überwiegend Geschichten aus der gefallsüchtigen Seeheimat. Epple nahm aber auch Anleihen beim Fundus der Mythologie, Geschichte und Literatur. Irritiert von der Intensität dieser schlitzohrigen „Naivität“ des Werks stellte Walser fest: „Sobald man diese Bilder betrachtet, fangen sie an, den Betrachter zu betrachten und sie hören, solange man sie betrachtet, nicht damit auf. Also bitte, sage ich, nachdem ich mich jetzt wieder eine zeitlang habe von Epple-Augen betrachten lassen, für heute reicht es, ein anderes Mal wieder, du raffinierte Unschuld du.“
Epples Bilder, die im Atelier in Wangen auf Tafeln mit identischen und überschaubaren Abmessungen entstanden und damit einen intimen Charakter vermitteln, wurden zum ersten Mal 1965 in Bad Krozingen ausgestellt. Den Durchbruch als Maler erlebte der Studienrat am Radolfzeller Gymnasium kurze Zeit später im Norden des Landes. Mit drei Ausstellungen in Hamburg zwischen 1969 und 1975 wurde er bekannt; der wache Kunstbetrieb schätzte in den Bildern das „malerische Alphabet von Grundgefühlen“, wie es Hermann Kinder in einem Brief an Epple 2004 präzise ausdrückte. Dabei scherte sich der Künstler wenig um Trends, Moden oder Stile. Er blieb sich treu. Zuletzt stellte die Stadt Radolfzell 2015 in einer Retrospektive sein malerisches Werk aus.
Kinder fand nicht nur angemessene Worte für den Maler Epple, sondern auch einen Schlüssel für seine Texte. Ihre Wirkmacht bündelte er in dem Wort „Innigkeit“, das gemeinhin mit der Romantik verbunden wird. Die Texte, heißt es in dem Brief, „konzentrieren ein Überschneidungserlebnis von Ich und Umwelt, in dem die Intensität von Gefühlen vor der Welt beschworen wird wie Andacht, Glück, Staunen, Besinnung, Schönheit, Natur- und Jahreszeitennähe, Verbundenheit mit den ‚Eingesessenen‘, auch wenn das Ich stets von außen und fern zu schauen scheint auf die Figuren“. Es sei große Kunst, rühmte Kinder, eine imaginierte Landschaft aufzurufen und in die Seele des Lesers zu setzen.
Der Schriftsteller Epple steht dem Maler nicht nach. 1967 veröffentlichte Epple seinen ersten Gedichtband. „Dinne und Dusse“, alemannische Gedichte vom Hegau und Untersee. Mundart und Literatur? Das war zu dem Zeitpunkt, am Vorabend der studentischen Revolte, ein Tabubruch. Auch wenn Walser in seiner „Heimatkunde“ (1968) dagegenhielt und den Dialekt als „eine Art Goldreserve“ lobte, „die dem hochdeutschen Papier zugrunde liegt“ und genauso wichtig sei, wie die untergegangene Kindheit. Eine Konjunktur erlebte die Mundart eine Dekade später. Das dazugehörige Stichwort lautet: Neuer Regionalismus.
Epple, der auch junge Schriftsteller förderte, darunter den Mundart-Dichter Bosch, konnte alles. Alemannisch und Hochdeutsch. In Hochdeutsch hat er beispielsweise die autobiografisch grundierten Prosastücke „Vor allem der See“ (2009) verfasst. Aber auch sein Lesebuch „Erntedankfest“ (2011), das einen Rückblick auf sein literarisches Schaffen gibt, muss erwähnt werden. Das Buch erschien anlässlich seines 80. Geburtstages, Walser trug dazu ein Vorwort bei, das mit den Worten schließt: „Ein Glück, dass es dieses Buch gibt! Was für ein Glück, dass es diesen Dichter gibt! Die Welt kann sich zu ihm gratulieren.“ So ist es.
Was immer Epple zur Sprache brachte, es wurde zum Ereignis. Was immer er schrieb, war augenhaft, zugleich sprachfreudig in Wort und Ausdruck, von Rhythmus bewegt, mit ansteckender Freude am Darstellen und Erzählen. Überschrieben hat Walser sein Vorwort übrigens mit „Das Dasein feiern“. Nichts anderes macht Epple. Dabei machte er die Welt schöner, als sie ist.
Zwölf Jahre nach „Dinne und Dusse“ ließ er den Gedichtband „reit ritterle reit“ folgen. Strenge Form, Metrum, Reim – das alles hat er zugunsten des freien, der Prosa und der natürlichen Sprachform angenäherten Verses aufgegeben. Den formalen Neuerungen entsprach eine Inhaltliche. War „Dinne und Dusse“ noch lyrische Einstimmung in die Landschaft des Hegaus und des Untersees, so stellte diese Novität die geistige Landschaft vor. Epple beschwörte die kulturellen Traditionen der Heimat und setzte sich mit ihnen auseinander. Weitere „alemannische“ Veröffentlichungen folgten, etwa die drei Bände „Wosches?“ (1980-1983), in denen er verschiedenen Mundartstücken etymologisch nachging. Mit dem Gedichtband „Doo woni wohn“ (1998) publizierte er schließlich erneut Heimatbezogenes, aber auch dem Hochdeutschen blieb er treu. Um bei der Lyrik zu bleiben: „Blatt um Blatt“ (2016), enthält eine Sammlung seiner schönsten Gedichte, von Epple höchstselbst ausgewählt.
Bruno Epple hat als Maler und Schriftsteller sein Glück gefunden – und ja, er war auch ein guter Lehrer, am Ende Studienprofessor. Malen und Schreiben war seine Lebensart. Dass er sich immer wieder neu erfand – dafür steht seine Beschäftigung mit Walahfrid Strabos Heimweh-Ode „Metrum Saphicum“, die er 2000 ins Alemannische übersetzte – das machte sein Genie aus.
Zuletzt: Es wird erzählt, dass ihm an seinem Krankenbett in Allensbach vom Tod Martin Walsers berichtet wurde. Bruno Epple soll geantwortet haben: „Das kann ich auch“. Wir vermissen ihn jetzt schon!